Studie: Medien können das negative Bauchgefühl gegenüber Ausländern verstärken

22. Juni 2015 - 11:25
Lesen oder sehen Personen häufig Berichte über Verbrechen, in denen Afro-Amerikaner oder Ausländer als Tatverdächtige dargestellt werden, kann das laut in den USA und Österreich durchgeführten Studien das negative Bauchgefühl gegenüber diesen Gruppen verstärken. Auf die offen geäußerte Meinung hatte die Überrepräsentation in der Berichterstattung dagegen keinen substanziellen direkten Einfluss.
 

Bei Einstellungen gegenüber in der Gesellschaft marginalisierten Gruppen müsse man zwischen dem inneren Denken und Fühlen einer Person - also dem relativ impulsiv aktivierten "Bauchgefühl" - und den Gefühlen und Gedanken, die Personen wohlüberlegt offen äußern, unterscheiden, erklärte der österreichische Kommunikationswissenschafter Florian Arendt von der Ludwig-Maximilians-Universität München der APA. Bei ersterem handelt es sich um relativ automatisch aktivierte Ansichten und Einstellungen, letztere sind sozusagen schon durch einen Filter gegangen: Personen können sich entscheiden, ein negatives Bauchgefühl offen zu äußern oder dieses zu verschweigen.

"Rucksack unserer Gesellschaft"

Es gebe bereits viele Studien, die zeigen, dass hier ein Konflikt herrschen kann. Untersuchungen verdeutlichen etwa, "dass relativ viele Menschen ein automatisch hervorgerufenes negatives Bauchgefühl gegenüber historisch marginalisierten Minderheiten haben", so der Forscher. Dies sei uns sozusagen als "Rucksack unserer Gesellschaft" mitgegeben. Verfolgt eine Person aber das Ziel, vorurteilsfrei durch das Leben zu gehen, "wird sie ein negatives Bauchgefühl vermutlich nicht offen äußern und dementsprechend handeln".

Arendt und sein Kollege Temple Northup von der University of Houston haben die Wirkung von stereotyper Berichterstattung auf beiden Ebenen untersucht und berichteten darüber im Fachblatt "International Journal of Communication". Auch wenn sich eher kein Einfluss bei offen geäußerten Meinungen zeigt, könnte es auf der Ebene darunter Verschiebungen geben, so ihre Annahme.

In den USA werden vor allem in lokalen TV-Nachrichten Afro-Amerikaner weit häufiger als Tatverdächtige bezeichnet als es offizielle Statistiken ausweisen. Auch in österreichischen Boulevardzeitungen gebe es eine ähnlich verzerrte Darstellung. Nur sind hierzulande "die Ausländer" das Pendant zu den Afro-Amerikanern in den USA.

Je häufiger US-Studienteilnehmer diese Programme sahen, desto negativer waren auch die unterschwelligen Einstellungen gegenüber Schwarzen, zeigte Northups Studie. In Österreich trat dieser Effekt nur bei Lesern auf, die sich tatsächlich häufig Kriminalitätsberichterstattung in bestimmten Zeitungen zuwendeten. "Die wiederholte Rezeption der Paarung 'Ausländer' plus 'kriminell' verstärkte das negative Bauchgefühl", so Arendt. In beiden Untersuchungen gab es lediglich Auswirkungen auf das innere Denken und Fühlen.

Messung per "implizitem Assoziationstest"

Gemessen wurde dies mit dem sogenannten "Impliziten Assoziationstest". Hier ordnen Personen Wörter oder Bilder nach einem bestimmten Schema zu Kategorien. In welchem Tempo das geschieht, wird genau gemessen. Können sie schnellere Zuordnungen treffen, wenn etwa "Ausland" mit "negativ" gepaart ist, als wenn "Ausland" und "positiv" gekoppelt sind, wird das als Hinweis für ein negatives Bauchgefühl gewertet. Dieses Verfahren aus der Grundlagenforschung "ist vielfach validiert", wie der Forscher betonte.

Um solchen verzerrten Darstellungen möglichst nicht aufzusitzen, rät Arendt dazu, von Zeit zu Zeit kritisch zu hinterfragen, welche Medieninhalte man konsumiert. Es gebe eben Kanäle, wo immer wieder einseitige stereotype Informationen dargeboten werden. Auch ein bewusstes gedankliches Widersprechen, wenn man über stereotype Inhalte stolpert, hilft laut Studien dabei, diesen oft unbemerkt auftretenden Effekt zu dämpfen.

Seitens der Medien sollte man sich von Fall zu Fall die Frage stellen, ob es - bei aller Verpflichtung dazu, in der Kriminalitätsberichterstattung auch Details zu berichten - "wirklich notwendig ist, marginalisierte Gruppen zu nennen". Dabei gehe es nicht um Selbstzensur, sondern um ein bewusstes verantwortungsvolles Abwägen, für das es aus der Sicht des Forschers auch kein Patentrezept gibt.

Weiterführend:
Die Publikation im Internet: http://ijoc.org/index.php/ijoc/article/viewFile/2691/1325

(APA/red, Bild APA/Techt)

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