Steirischer Bildungspolitiker Bernd Schilcher im Alter von 74 Jahren gestorben

1. Juni 2015 - 11:30

Er war der schwarze Reibebaum der schwarzen Lehrer-Gewerkschaft, Parteikollegen stieß er mit seinen bildungspolitischen Forderungen regelmäßig vor den Kopf, und er war einer der Miterfinder der Neuen Mittelschule: Bernd Schilcher, ehemaliger steirischer VP-Landtagsklubobmann und Landesschulratspräsident, ist am Freitag wenige Wochen vor seinem 75. Geburtstag gestorben.

Schon in frühester Jugend, sagte Schilcher anlässlich seines 70. Geburtstags im Gespräch mit der APA, habe er sich mit Bildungsfragen beschäftigt. Die Trennung der Schüler mit zehn Jahren habe er erstmals infrage gestellt, als er seine drei besten Freunde durch deren Wechsel in die Hauptschule verlor; dass seine Klassenkollegen an der AHS nach dem Unterricht ins Lerninstitut gingen und nicht an der Schule gefördert wurden, erschien ihm ebenfalls absurd. "Mich haben schon immer die Strukturen und die ständischen Überlegungen interessiert", so Schilcher.

Bei der Lehrervertretung hat sich Schilcher mit seinen teils sehr anschaulichen Überlegungen wenige Freunde gemacht. Für Aufregung sorgte er etwa mit seiner Forderung nach ganztägiger Anwesenheit der Pädagogen an der Schule: "Die Zeit der 'Auspufflehrer', von denen man um elf nur noch den Auspuff gesehen hat, ist vorbei." Die Gewerkschaft sah er als reine Privilegien-Bewahrerin, von der keine inhaltlichen, sondern ausschließlich finanzielle Forderungen kämen. Auch mit der eigenen Partei ging er gerne hart ins Gericht: Die Bildungspolitik der ÖVP bestehe nur aus Standespolitik, kritisierte er etwa wiederholt.

Gerne verwies Schilcher auf die historischen Wurzeln des österreichischen Schulsystems: Dieses sei etwa deshalb so starr, weil es 1869 vom Militär aufgebaut wurde. Die vom Exerzieren kopierten 50-Minuten-Einheiten und die an die Trillerpfeife angelehnte Pausenklingel sind bis heute erhalten. Auch im Widerstand gegen die Neue Mittelschule, die er mitentwickelte, sah Schilcher Gründe in der Geschichte: Die Bildungsbürger fürchteten, "ihren Vorrang einzubüßen. Das Standesdenken ist tief drinnen bei den Österreichern."

Schilcher wurde am 22. Juli 1940 in Graz geboren. Dort studierte er Medizin und Rechtswissenschaften. Ab 1978 war Schilcher Ordinarius für Bürgerliches Recht an der Uni Graz, zwischen 1989 und 1996 Landesschulratspräsident der Steiermark. Er führte in dieser Zeit u.a. in seinem Bundesland einen neuen Schultyp ein, die Realschule, die den Schülern ein Kennenlernen der Arbeitswelt ermöglichen soll. Von 1996 bis Juni 2001 war er erneut Vorstand am Institut für Bürgerliches Recht der Uni Graz. Seit 2003 war er im Ruhestand - allerdings nicht, weil er nicht weiter mit den Studenten arbeiten wollte. Grund seien "die grauenhaften Strukturen" gewesen.

Anfang der 1970er war Schilcher an der Erstellung des Salzburger Programms der ÖVP beteiligt, mit dem sich die Partei ein aufgeschlossenes, modernes und problemorientiertes Profil verpassen wollte. 1976 bis 1993 saß er für die Volkspartei im steirischen Landtag, zwischen 1985 und 1989 als deren Klubobmann.

Trauer und Betroffenheit

Das überraschende Ableben des Schilchers hat Trauer und Betroffenheit hervorgerufen. ÖVP-Obmann und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner würdigte ihn als "große Persönlichkeit", Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) als "bildungspolitischen Visionär". Der Grüne Bildungssprecher Harald Walser sah ihn als "Vorkämpfer für ein schülergerechtes Schulsystem".

"Wir verlieren mit ihm eine große und sehr vielfältige Persönlichkeit", erklärte Vizekanzler Mitterlehner in einer Aussendung. "Bernd Schilcher war einer, der nicht immer bequem sein wollte, sondern stets die Zukunft und das Notwendige im Blickfeld hatte." Die Volkspartei tue gut daran, sich an dem "Vor- und Querdenker" auch künftig immer wieder ein Beispiel an ihm zu nehmen, "wenn es darum geht zu gestalten und das Notwendige und Richtige anzugehen".

Heinisch-Hosek würdigte Schilcher ebenfalls als "mutigen Vordenker", der sich "bei seinen bildungspolitischen Visionen nie von Parteigrenzen einengen" habe lassen. "Sein analytischer und lösungsorientierter Blick auf bildungspolitische Herausforderungen hat ihn besonders ausgezeichnet."

Walser erinnerte an Schilchers Engagement für gleiche Bildungschancen und eine gemeinsame Schule. "In den letzten Jahren waren wir freundschaftlich verbunden und haben gemeinsam im Rahmen des Bildungsvolksbegehrens für die Weiterentwicklung des österreichischen Bildungssystem gearbeitet", sieht er nun eine "große Lücke".

Trauerbekundungen in der Steiermark

Auch in der Steiermark hat Schilchers Tod betroffene Reaktionen ausgelöst. Die amtsführende Landesschulratspräsidentin Elisabeth Meixner würdigte den Verstorbenen als "kreative, prägende, herausragende bildungspolitische Größe". Ihr Stellvertreter Wolfgang Erlitz sagte: "Seine Sichtweisen, seine Energie und seine Kritik werden der heimischen Bildungslandschaft fehlen."

Jochen Pildner-Steinburg, Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark, beklagte: "Mit Bernd Schilcher verlieren die Steiermark und Österreich einen politischen Zukunftsdenker ohne Scheuklappen." In Bildungsbelangen sei Schilcher ein "wichtiger Partner der Industrie" gewesen. Der Jurist sei seiner Überzeugung immer treu geblieben und habe Brücken zwischen den ideologischen Lagern geschlagen.

Auch der KPÖ-Landtagsklub drückte in einer Aussendung der Familie des Verstorbenen das Mitgefühl aus. Schilcher sei "Pionier eines demokratischen und an den Interessen der Kinder und Jugendlichen orientierten Bildungssystems" gewesen.

(APA/red, Bild APA/Techt)

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