Peter Norvig am 26. März an der TU Wien

25. März 2015 - 9:17
Er hat den angeblich längsten palindromischen Satz der Welt geschaffen, eine der bekanntesten Powerpoint-Satiren kreiert und nebenbei ist er Computerwissenschafter und Forschungsdirektor bei Google. Am 26. März spricht Peter Norvig an der Technischen Universität (TU) Wien über Künstliche Intelligenz, wie Computer lernen und warum die Suchmaschine der Zukunft "gesprächiger" sein soll.

"Der gebräuchlichste Weg, wie ein Computer lernt, ist von Beispielen mit korrekten Antworten. Zum Beispiel: Zeige einem Computer ein paar Millionen Fotos mit Bildunterschriften. Wenn man ihm dann ein neues Foto zeigt, das er nie zuvor gesehen hat, gibt es eine gute Chance, dass er dazu eine gute Bildunterschrift errät", erklärte Norvig im Gespräch mit der APA. Ähnliches gelte, wenn man dem Computer Millionen von Beispielen von Übersetzungen von Deutsch auf Englisch zeige. Davon könne er lernen, Sätze zu übersetzen - "mit Worten die er gesehen hat, aber in Kombinationen, die er noch nie gesehen hat".

Suchmaschine soll interaktiver werden

In diesen Bereichen hat es laut Norvig auch die größten Fortschritte beim maschinellen Lernen in letzter Zeit gegeben, in der Wahrnehmung und dem Erkennen von Mustern oder von Objekten in Bildern und von gesprochenen Worten. Intelligenter und interaktiver soll künftig auch das Herzstück von Google, die gleichnamige Suchmaschine, werden. "Die Google-Suche tendiert dazu, sich auf kurze Phrasen zu konzentrieren, die aus Schlüsselwörtern bestehen. Ich bin mehr an komplexen Interaktionen interessiert", sagte Norvig.

Wenn zum Beispiel ein Student eine neue Disziplin erlernen will - etwa Genomik - könnte er auf Google suchen und wertvolle Informationen dazu finden. Aber der Student verbringe die meiste Zeit schon damit, sich für Suchbegriffe zu entscheiden. Norvig glaubt, dass hier eine stärkere "Partnerschaft" möglich sei, bei der es eine Interaktion gibt, wie zwischen einem Studenten und einem Tutor. Wie soll eine Suchmaschine in Zukunft also beschaffen sein? "Interaktiver, 'gesprächiger', mehr bereit dazu, Informationen anzubieten, fähiger eine Aufgabe für dich zu übernehmen, und nicht nur Webseiten aufzulisten", so Norvig.

Egal, ob "intelligenter" oder "besser"

Ab wann eine Maschine als "intelligent" gilt, hat auch viel mit der jeweiligen Definition dieses Begriffs zu tun. Norvig vertritt den Ansatz, den Fortschritt am erfolgreichen Lösen einer Aufgabe als Maßstab zu nehmen. Wenn man eine Maschine dazu bringen könne, mehr Schachspiele zu gewinnen, Sätze akkurater zu übersetzen oder sicherer und effizienter herumzufahren, dann ist diese Maschine "besser" geworden. "Es ist mir egal, ob man sie dann auch 'intelligenter' nennt oder nicht", sagt Norvig.

Künstliche Intelligenz ist für viele in dem Bereich tätige Forscher eng an das menschliche Gehirn gekoppelt, das mit seiner Fähigkeit für Problemlösungen oder dem Erkennen von Mustern für Computer als Modell dient. Peter Norvig relativiert diesen Ansatz: "Einige Leute sind daran interessiert, und nennen es Künstliche Intelligenz (KI). Ich würde es Kognitionswissenschaft nennen."

Das Ziel von KI sei es, "Maschinen zu bauen, welche die ihnen überantworteten Aufgaben so effektiv wie möglich lösen. Man kann das tun, indem man das menschliche Gehirn re-modelliert, oder man kann komplett andere Techniken verwenden." Die Frage nach "wahrer Intelligenz" ist für den Computerwissenschafter, der vor seiner Zeit bei Google bei der US-Raumfahrtbehörde NASA die Abteilung für Computerwissenschaften geleitet hat, "eine Frage für Philosophen, nicht für Wissenschafter": "Es hat damit zu tun, was wir 'wahre Intelligenz' nennen - was eine Sache für soziale und linguistische Konventionen ist. Computer machen viele Dinge gut, die wir 'intelligent' nennen, wenn sie Menschen machen. Aber bis jetzt haben wir dem widerstanden, das 'wahre Intelligenz' zu nennen."

Falsche Vorstellungen über Künstliche Intelligenz gehen für Norvig oft auf Filme zurück, wo "Roboter die Welt übernehmen und so weiter. Aber diese Filme wurden designt, um spannende Handlungen zu haben und Menschen eine Chance zu geben Helden zu sein; sie wurden nicht entwickelt, um realistisch zu sein."

Künstliche Intelligenz als Engineering-Disziplin

Warnungen, etwa von Stephen Hawking oder Bill Gates, wonach eines Tages eine maschinelle "Superintelligenz" sich gegen die Menschheit wenden könnte, nimmt Norvig nicht auf die leichte Schulter. "Ich stimme ihnen darin zu, dass wir nicht genug Wissen und Erfahrung haben, um große, komplexe KI-Systeme zu bauen, die sicher und verlässlich sind. Auf der anderen Seite haben wir auch nicht genug Wissen um große, komplexe Nicht-KI-Systeme zu bauen, die sicher und verlässlich sind. Wir sollten hart daran arbeiten, um KI zu einer Engineering-Disziplin zu machen, die verlässliche, vorhersagbare Resultate liefert, so wie Ingenieure den Brückenbau zu einer verlässlichen Disziplin transformiert haben", sagt Norvig. Es gebe noch sehr viel Arbeit zu tun um das umzusetzen, "aber ich sehe KI nicht so einzigartig gefährlich, verglichen mit all den anderen Technologien die wir verwenden, verwendet haben oder verwenden werden."

Die wichtigsten Stoßrichtungen in der KI-Forschung lassen sich für Norvig auf sechs verschiedene Bereiche herunterbrechen: Problemlösung, Wissen und logisches Schlussfolgern, der Umgang mit Sicherheit, Lernen, Kommunizieren und Robotik. Dazu gehört etwa im Bereich Problemlösung "in einer gegebenen Situation einen Plan finden, ein Ziel zu erreichen, etwa vom Start zum Ziel zu navigieren", im Fall der Robotik "mit der realen Welt interagieren, das beinhaltet Wahrnehmung, etwa unter der Verwendung von Kameras und anderen Sensoren, damit die Welt einen Sinn ergibt, und Aktion etwa unter Verwendung von Motoren, um sich tatsächlich herumzubewegen und physische Dinge zu beeinflussen".

Der Umgang mit Sicherheit sei jener Bereich, der KI wirklich vom Rest der Computerwissenschaft unterscheide. Hier gehe es um "die Notwendigkeit zu handeln, auch wenn man nicht komplette Daten zur Verfügung hat, weil die Welt chaotisch, komplex und unsicher ist."

Google hat mehr als 52.000 Mitarbeiter (Stand Juni 2014), bis zu 50 Prozent davon sind laut Norvig Techniker und Forscher, die an Forschung und Entwicklung (F&E) beteiligt sind. 2014 hat das Unternehmen rund acht Milliarden US-Dollar (7,33 Mrd. Euro) für F&E ausgegeben.

(APA/red)
 

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