Lehrlinge: oft mangelt es an Grundkenntnissen und sozialer Kompetenz

11. November 2014 - 9:04

Die Lehrlingsausbildung in Österreich ist weltweit vorbildlich, aber bei den Pflichtschulen, beim Image und auch in manchen Lehrbetrieben hapert es, so das Fazit einer Enquete zur Dualen Ausbildung im Wirtschaftsministerium. Hier sei auch die Verantwortung der Betriebe einzufordern, so Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

Faktum sei, dass die Betriebe weniger ausbilden, aber auch die Forderungen an die Lehrlinge gestiegen seien. Trotzdem mangle es gerade bei jenen, die nur eine Pflichtschulausbildung - also neun Jahre Schule - haben, oft an den Grundkenntnissen in lesen, rechnen und schreiben, und teilweise auch an sozialer Kompetenz wie Grüßen, wie AMS-Vorstand Johannes Kopf ausführte.

Team-Stronach-Bildungssprecher Robert Lugar erzählte von den Erfahrungen im Installateurbetrieb seines Bruders, wo 50 Prozent der Bewerber nicht die richtigen Bohrlöcher für den Einbau eines Heizkörpers in einer Nische berechnen könnten. Woraufhin Mitterlehner ebenfalls seine Verwandtschaft bemühte und auf einen Bruder als Direktor einer Berufsschule verwies. Bei Durchsicht der Lehrunterlagen habe er über die Fülle des Lernstoffes gestaunt.

Drei Minister mit Lehrlingsausbildung

Auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) will das Image der Lehrausbildung verbessern und sieht am eigenen Arbeitsplatz den Slogan von "Karriere mit Lehre" voll bestätigt: Drei Minister der aktuellen Regierung haben ihre Berufslaufbahn mit einer Lehre begonnen.

Dass die Karriere aber auch vom Elternhaus abhängt, machte Johannes Kopf anhand seines jüngsten Sprösslings anschaulich. Würde er nicht aus einem Akademikerhaushalt kommen, sondern aus einem bildungsfernen Migrantenhaushalt, hätte er statistisch weit schlechtere Karten. So sei es für bildungsferne Schichten oft nur schwer zu verstehen, warum es besser ist wenn ihr Kind beim Einstieg ins Berufsleben nur 350 Euro Lehrlingsentschädigung statt 800 Euro Hilfsarbeiterlohn erhält.

Und auch an manchen Gymnasien ortet er ein Verständnisproblem. So würden Beratungsangebote des AMS als Konkurrenz gesehen, nach dem Motto, "die holen uns die Kinder von der Schule". Axel Kassegger (FPÖ) sieht in den vielen Schülern mit Migrationshintergrund eine der Ursachen für das schlechte Abschneiden der Pflichtschüler bei Bildungstests. Dass viele Pflichtschulabgänger mangelnde Grundqualifikationen haben bestätigte auch Bildungsexperte Thomas Mayr vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft. Er sei überrascht, wie achselzuckend dies von der Politik hingenommen werde.

"Lehrjahre sind keine Herrenjahre"

Während sich alle Fraktionen bei der Enquete zur Dualen Ausbildung im Wirtschaftsministerium einig waren, dass die Lehre aufgewertet gehört, herrschte über das "Wie" schon weniger Geschlossenheit. Kassegger erinnerte an den alten Spruch "Lehrjahre sind keine Herrenjahre", woraufhin Hundstorfer die Statistik bemühte: Es gebe zwar mehr offene Lehrstellen als Lehrstellensuchende, aber hier eben Problembranchen, wie etwa die Gastronomie. Hier gebe es viele Beschwerden, etwa über Nicht-Einhaltung von Arbeitszeitgesetzen.

In das gleiche Horn stieß auch die Grüne-Arbeitsmarktsprecherin Birgit Schatz. Eine gute Ausbildung sei in der Lehre nicht immer garantiert. Ob der Lehrling in einer Lehrwerkstätte eines Staatsbetriebes oder in der Küche einer Gastronomieeinrichtung stehe, mache vielfach einen großen Unterschied.

Wie gut es um die Lehre bestellt ist hängt auch stark vom Ort der Betrachtung ab. So entscheiden sich im Westen weit mehr Jugendliche für eine Lehre als in Ostösterreich. Europaweit betrachtet fällt auf, dass Länder mit erheblichen wirtschaftlichen Problemen allesamt weit weniger auf duale Ausbildung setzen als etwa die "Musterschüler" Deutschland, Schweiz und Österreich.

(APA/red, Bild APA)

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