Bologna-Prozess: Struktureller Wandel auch beim Doktorat

21. August 2014 - 16:05

Die Veränderungen durch den Bologna-Prozess haben nicht nur Bachelor- und Masterstudien betroffen. Auch das Doktorat hat sich in den vergangenen Jahren strukturell gewandelt, so die Vizerektorin der Uni Zagreb, Melita Kovacevic, bei den Hochschulgesprächen beim Forum Alpbach - vom traditionellen "Meister-Schüler-Prinzip" hin zu einem System mit "verantwortlichen Institutionen".

Rund 85 Prozent der europäischen Hochschulen hätten mittlerweile "Doctoral Schools" eingerichtet. Diese führen die Doktoranden in einem strukturierten Programm zum Abschluss und in die Forschung, betonte Kovacevic, die auch in der European University Association (EUA) das Thema Doktorat betreut. Gleichzeitig brauche es aber eine gewisse Diversität: "Auch im gleichen Doktoratsprogramm sollen die Studenten nicht das gleiche Curriculum haben, sie sollen durchaus andere Lehrveranstaltungen besuchen." Eine gute "Doctoral School" dauere drei bis vier Jahre, weise eine Abschlussrate um die 90 Prozent auf und leite die Studenten an, einen erfolgreichen Beitrag zur Forschung zu leisten.

FWF-Programm mit Drei-Schichten-Ansatz

Einen Drei-Schichten-Ansatz verfolgt der Hochwasserexperte und Leiter eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Doktoratsprogramms mit 30 Studenten, Günter Blöschl (TU Wien). In diesem Programm sollen die Studenten unterschiedlicher Fachrichtungen als Team lernen. "Wir wollen individuelle Forschung ohne Fachgrenzen fördern." Vertreten seien etwa Mathematiker, Geologen und Sozialwissenschafter.

Die erste Schicht umfasse die Schaffung gemeinsamer Büros, die zum gegenseitigen Austausch anregen sollen. Zweitens sollen die Wissenschafter an verwandten wissenschaftlichen Fragestellungen arbeiten - so arrangiere man etwa regelmäßig Cluster-Meetings mit acht bis zehn Studenten, die bestimmte Themen wie etwa Überschwemmungen transdisziplinär diskutieren. Und drittens betreibe man an den gleichen Orten gemeinsame Feldforschungen. Dieser Ansatz erlaube die Bearbeitung komplexerer Forschungsthemen und zwinge die Studenten zum Teamwork, so Blöschl.

Die Uni Wien gehört noch zu den restlichen 15 Prozent ohne "Doctoral School", so Vizerektorin Susanne Weigelin-Schwiedrzik. Die Universität weise derzeit 10.000 Doktoratsstudenten auf. "Aber nur 3.000 bis 4.000 verfolgen aktiv ihr Projekt. Vom Rest wissen wir nicht, was sie tun - nur dass sie jedes Semester zurückkommen und sagen, sie wollen Doktoratsstudenten bleiben." Das Problem sei, dass die Studenten selbst entscheiden könnten, ob sie ein Doktoratstudium betreiben wollen. Die Uni habe keine Möglichkeit zur Auswahl, außer bei Programmen des Wissenschaftsfonds FWF.

Uni Wien mit Scholarship-Programm

Rund 1.700 Doktoratstudenten der Uni Wien verfügen über eine Art Beschäftigungsverhältnis mit der Uni. Ziel sei es, hier auf 2.000 zu kommen, so Weigelin-Schwiedrzik. Außerdem habe man ein kompetitives Scholarship-Programm gestartet, für das sich Studenten um eine dreijährige Förderung - etwa für Konferenzteilnahmen etc. - bewerben können. Dieses ist mit 6.000 Euro pro Jahr dotiert.

Statt Doctoral Schools plant die Uni Wien acht "Doctoral Academies": "Wir wollen keine Schüler, sondern Wissenschafter", betonte die Vizerektorin. Diese sollen nicht auf ein spezifisches Fach ausgerichtet, sondern auf mehr als einen Gegenstand und transdisziplinär angelegt sein. Eine Academy soll zwischen 50 und 100 Mitglieder haben und 120.000 Euro erhalten.

Gemeinsames Problem aller Doktoratsansätze ist die finanzielle Unterstützung, ortete die Vizerektorin der Akademie der bildenden Künste, Andrea Braidt. Die Mehrzahl der Doktoratstudenten werde nach wie vor nicht angestellt oder finanziell gefördert. "Das hat negative Auswirkungen auf die Forschung: Viel Potenzial wird so nicht genützt." Ähnlich sah es Kovacevic: Doktoranden müssten als Wissenschafter angesehen werden - egal ob sie in Schools, Academies oder individuell forschten. "Deshalb müssen sie entsprechend bezahlt oder gefördert werden."

(APA/red, Bild (c) Universität Wien)

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