Neues ÖH-Wahlrecht bringt unter anderem die Direktwahl wieder

4. April 2014 - 9:55

Ab 2015 können die Studenten ihre bundesweite Vertretung in der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) wieder direkt wählen. Darauf haben sich die großen ÖH-Fraktionen mit Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) geeinigt. Außerdem werden bei der nächsten ÖH-Wahl die Briefwahl eingeführt und auch Studenten aus Drittstaaten passiv wahlberechtigt sein.


Mitterlehner sieht größere Transparenz

Weitere Neuerungen: Bei der ÖH-Wahl dürfen nicht nur die Universitätsstudenten mitwählen, sondern auch jene an den Fachhochschulen (FH), Pädagogischen Hochschulen (PH), Privatunis und der Donau-Uni Krems (DUK). FH- und PH-Studenten entsendeten schon bisher Mandatare in die Bundesvertretung (BV), das österreichweite Studentenparlament. Allerdings geschah das auf Basis von internen Wahlen an den FH bzw. PH. Privatuni- und DUK-Studenten waren in den ÖH-Gremien gar nicht vertreten. Die Zahl der Mandate in der derzeit 100 Personen umfassenden BV wird auf 55 gesenkt.

Die Änderungen, auf die sich Mitterlehner mit der linken ÖH-Spitze aus Fachschaftslisten (FLÖ), Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), Fraktion Engagierter Studierender (FEST) und Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) sowie der größten Oppositionsfraktion, der VP-nahen AktionsGemeinschaft (AG), geeinigt hat, sollen noch vor dem Sommer beschlossen werden und ab den nächsten Wahlen im Frühjahr 2015 gelten. "Das Thema war jahrelang in der Pipeline", so Mitterlehner bei einer Pressekonferenz. "Wir haben es jetzt innerhalb kurzer Zeit geschafft."

Wahlbeteiligung soll steigen

Mit den Neuerungen soll etwa die niedrige Wahlbeteiligung angegangen werden, so Mitterlehner. "Die zuletzt 28 Prozent haben zu Erklärungsproblemen geführt - sowohl in den Medien als auch bei anderen Gruppen." Außerdem habe das indirekte Wahlrecht, bei dem die einzelnen Hochschülerschaften bzw. FH- und PH-Vertretungen Mandatare in die BV entsendet haben, sowie das Anwachsen der BV auf 100 Mandatare zu Unübersichtlichkeiten geführt. "Es war nicht eindeutig erkennbar, wer was bzw. wen vertritt und von wem bestellt wird."

Auch ÖH-Chef Florian Kraushofer (FLÖ) kritisierte das derzeitige Wahlsystem: Stimmen an kleineren Hochschulen seien im Moment fünf- bis zehnmal mehr wert als Stimmen der Uni Wien. Wer an mehreren Unis inskribiert sei, dürfe auch über die BV mehrfach mitbestimmen. Ab 2015 würden dagegen alle Hochschüler nach dem gleichen System wählen, jede Stimme sei bei der Listenwahl gleich viel wert. "Das bringt eine erhebliche Demokratisierung der ÖH-Strukturen." Für den Einzug in die BV soll es keine fixe Prozenthürde geben - ab einem Stimmenanteil von ca. zwei Prozent sind kleine Fraktionen dabei.

Trotz Auslandsaufenthalt wählen

Wahlberechtigt sind künftig alle ordentlichen ÖH-Mitglieder - das sind Studenten, die Studiengänge im Wert von mindestens 30 ECTS-Punkten absolvieren. Alle anderen Studenten sind außerordentliche ÖH-Mitglieder - sie dürfen zwar nicht wählen, müssen aber auch keine ÖH-Beiträge bezahlen. Die AG begrüßt vor allem die Briefwahl, mit der etwa auch Studenten auf Auslandsaufenthalt mitwählen können: "Damit wird der demokratische Normalzustand hergestellt", so AG-Vertreter Eugenio Gualtieri.

Neben Änderungen beim Wahlrecht bringt die Novelle des Hochschülerschaftsgesetzes außerdem eine Stärkung des Aufsichtsrechts der ÖH-Kontrollkommission. So können etwa ÖH-Funktionäre bei Säumigkeit nach zweimaliger Mahnung abberufen werden. Der Minister kann außerdem bei aufsichtsbehördlichen Verfahren die Durchführung von ÖH-Beschlüssen per Bescheid vorläufig untersagen.

Bei der letzten ÖH-Wahl Mitte Mai 2013 erreichte die AG 21 Mandate, die FLÖ kamen auf 17 Sitze, der VSStÖ auf zwölf und die GRAS auf elf Mandate. Drei Sitze gingen an die Jungen Liberalen (JuLis), je eines an den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), die Unipiraten, die FEST und die beiden Kommunistischen StudentInnenverbände (KSV und KSV-LiLi). Sechs Mandate entfielen auf sonstige Listen. Zu diesen 75 Sitzen kamen noch weitere 25 Mandatare, die über Persönlichkeitswahlen an den FH und PH bestimmt wurden. In der Bundesvertretung hat eine Koalition aus FLÖ, der vor allem an FH und PH erfolgreichen FEST, dem VSStÖ und den GRAS die Mehrheit.

Lob mit Einschränkungen

Überwiegend positiv haben die Studentenfraktionen auf die angekündigte Reform reagiert. Einhelliges Lob gab es für die Wiedereinführung der Direktwahl und die künftige Gleichstellung der Studenten aller Hochschulen. Allerdings kritisierten die Studentenvertreter auch einige, je nach Fraktion unterschiedliche Punkte.

Erfreut vom Vorschlag zeigten sich die JUNOS (Junge liberale NEOS - vormals Junge Liberale/JuLis), die selbst nicht in dessen Erarbeitung eingebunden waren. Die Reform sei "ein überraschend guter Schritt in die richtige Richtung", JUNOS-Bundesvorsitzender Niki Scherak hätte sich allerdings noch mehr finanzielle Transparenz gewünscht.

VP-Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle lobte den "Schulterschluss aller Fraktionen" für die Reform. Er selbst hatte als Wissenschaftsminister eine Reform zwar befürwortet, diese war aber am Veto der AktionsGemeinschaft (AG) gescheitert. Für SP-Wissenschaftssprecher Andrea Kuntzl wird mit der Reform ein "schwerer Fehler von Schwarz-Blau endlich korrigiert". Restlos zufrieden ist auch der VSStÖ.

Die Fachschaftslisten warnen davor, dass durch das ausgeweitete Aufsichtsrecht des Wissenschaftsministers die ÖH nach dem Motto "Wer nicht spurt, fliegt" der Willkür der jeweiligen Regierung ausgeliefert wird. Kritik kommt in diesem Punkt auch von Grünen-Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer, selbst ehemalige ÖH-Vorsitzende: Die ÖH stehe als Interessenvertretung der Studenten häufig in Opposition zum Ministerium, die zusätzlichen Eingriffsmöglichkeiten seien demnach "sehr bedenklich".

Verschärfung der Kontrolle "selbstverständlich"

Gerade diese Verschärfung der Kontrolle sieht die AktionsGemeinschaft dagegen als "Selbstverständlichkeit" nach dem Finanzdebakel um das umstrittene Studibeisl "Cafe Rosa". Erfreut ist die AG auch über die Einführung der Briefwahl, die die "katastrophal niedrige" Wahlbeteiligung von zuletzt 28 Prozent steigern soll. Die Briefwahl wird wiederum von den Grünen und Alternativen StudentInnen als "demokratiepolitisch bedenklich" verurteilt, außerdem hätten sie sich eine Wiedereinführung der Direktwahl der Fakultätsvertretung erwartet.

Die Fraktion Engagierter Studierender (FEST) sieht einen Erfolg in ihrem Kampf für eine Aufwertung der Vertretungen an Fachhochschulen (FH) und Pädagogischen Hochschulen (PH), aber auch "fragwürdige Passagen". Sie pocht etwa auf einen zusätzlichen Wahltag am Freitag, da viele berufstätige Studenten nicht zwischen Dienstag und Donnerstag wählen gehen könnten.

Die SP-nahe Aktion Kritischer Schüler_innen (AKS) plädierte wiederum dafür, nach der Wiedereinführung der ÖH-Direktwahl auch den Schülern die Möglichkeit zu geben, ihre gesetzliche Interessensvertretung direkt zu wählen.

(APA/red, Bild APA)

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