Deutsche Forschungsministerin pocht auf verbindliche EU-Forschungsausgaben

22. Juli 2012 - 9:58

Schavan: EU-Mittel sollen in Forschung und Bildung umgeleitet werden

Nach der Verabschiedung des europäischen Fiskalpakts pocht die deutsche Forschungsministerin Annette Schavan nun auf eine verbindlichere Zusammenarbeit in anderen Politikgebieten der EU. Im Reuters-Interview kündigt sie nicht nur verstärkte Hilfen für den Aufbau dualer Ausbildungssysteme in Spanien und Griechenland an, sondern fordert auch mehr Verbindlichkeit in der Forschungspolitik. So müssten alle EU-Staaten das Ziel umsetzen, drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Forschung und Entwicklung auszugeben. "Es muss wirklich verbindlich gemacht werden", sagte Schavan. "Deutschland versteht sich als Treiber in Europa." Es gebe ein Zeitfenster, um nicht nur über eine neue fiskalische Ordnung in der EU nachzudenken, sondern auch eine klare Ausrichtung auf Wissenschaft, Forschung und Entwicklung zu erreichen.

Hintergrund der Forderung sind die Spardebatten in etlichen hoch verschuldeten Euro-Staaten. Zudem argumentiert vor allem Deutschland, dass die Euro-Zone nur stabilisiert werden könne, wenn sich ihre 17 Mitglieder nicht nur auf gemeinsame Haushaltsziele verpflichteten, sondern auch ihre Wirtschafts-, Sozial- und Forschungspolitik eng abstimmten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte jedoch kritisiert, dass etliche Euro-Staaten das Drei-Prozent-Ziel für Forschungsausgaben weit verfehlten.

Um das gesteckte Ziel zu erreichen, fordert Schavan nun von den EU-Regierungen trotz der Sparpolitik ein klares Bekenntnis in Bildung und Forschung sowie bindende Beschlüsse: "Gerade in der Krise darf nicht an der Forschung gespart werden." Dabei sollten auch verstärkt EU-Mittel helfen. Künftig müsste nicht nur Geld aus dem EU-Forschungsprogramm, sondern auch aus den Strukturfonds in Innovationen fließen.

"Das Ziel muss sein, möglichst viele forschungsstarke Regionen in Europa zu etablieren, die auch für außereuropäische Forscher interessant sind", forderte Schavan. Sie warnte aber angesichts der hektischen Debatte über Auswege aus der Krise vor Illusionen. "Es ist unrealistisch, eine Veränderung in wenigen Monaten zu erwarten, richtige Weichenstellungen machen sich aber bemerkbar", sagte die CDU-Politikerin. So sei mit der Universität Dresden erstmals nach 20 Jahren Innovationsförderung eine ostdeutsche Universität bei der Exzellenzinitiative erfolgreich gewesen.

Schavan bezeichnete es zugleich als "große Schwachstelle" der EU, dass im Schnitt mehr als 20 Prozent der Jugendlichen arbeitslos sind. "Ich sehe es als unsere vordringliche Aufgabe an, dies zu beenden", betonte sie. Die EU-Staaten müssten gemeinsam an modernen Ausbildungssystemen arbeiten und auch hier zu verbindlichen Verabredungen kommen. Deutschland könne dabei mit seiner Erfahrung des dualen Systems bei der Berufsausbildung Hilfe leisten.

So hat die deutsche Bundesregierung Mitte Juli bereits eine Kooperation mit der spanischen Regierung vereinbart. Diese werde auch Thema bei Merkels Besuch in Madrid auf der deutsch-spanischen Wirtschaftskonferenz am 6. September sein, kündigte Schavan an. Im krisengeschüttelten Spanien liegt die Jugendarbeitslosigkeit mittlerweile bei über 50 Prozent, die Proteste gegen die Sparpolitik der Regierung hatten sich zuletzt ausgeweitet.

"Der nächste Schritt wird Griechenland sein, das ebenfalls großes Interesse hat", kündigte Schavan an. Spätestens Anfang 2013 will die Bundesbildungsministerin dann alle interessierten EU-Regierungen nach Berlin einladen.

Auch der Aufbau einer praxisnahen Ausbildung für Jugendliche erfordere Zeit, sagte sie. "Aber wir können auch kurzfristig helfen." So werde die EU-Vermittlungsagentur EURES ausgebaut, so dass ein echter europäischer Ausbildungsmarkt entstehe. "Zudem gibt es eine Reihe regionaler Initiativen in Deutschland, um spanischen Jugendlichen sofort eine Ausbildungsstelle oder einen Arbeitsplatz anzubieten", sagte die CDU-Politikerin. Aber es sei nicht das Ziel, nun möglichst viele junge Spanier nach Deutschland zu holen, betonte sie mit Blick auf die Ängste südlicher Euro-Staaten, junge Arbeitskräfte zu verlieren.

Exemplarisch zeige sich in Spanien, was nötig sei. So müsse die Regierung die gesetzlichen Grundlagen für ein duales System, also eine parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule, sowie die Durchlässigkeit zu akademischen Berufen schaffen. Zweitens müssten die Unternehmen überzeugt werden mitzumachen. Drittens gehe es wie bei der Forschung darum, verstärkt EU-Ressourcen zu nutzen. So habe der EU-Gipfel gerade 7,3 Milliarden Euro für den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit bereitgestellt. Auch Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds und den EU-Strukturfonds könnten künftig für den Aufbau einer effektiven Berufsausbildung eingesetzt werden (APA/Reuters/red).

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